Epilog

Norwegen Unterwegs

Es wurde ja schon der humorvolle Verdacht geäußert, dass so viele schräge Dinge eigentlich gar nicht in Echt in zwei Monaten passieren können und das demnach nur eine ausgedachte Geschichte sein kann. Daher muss natürlich auch ein Epilog her...

The day after

Runter vom NordkapAm nächsten Tag habe ich mich daran gemacht, das Nordkapp zu verlassen. Es ging vom Nordkap erst einmal kräftig bergab, um dann den einen Berg erneut erklimmen zu müssen, den ich am Vortag schon bezwungen hatte. Erst als ich dort die Serpentinen heruntergefahren bin überkam mich die Tatsache, dass ich das nun tatsächlich geschafft hatte wie ein Hammerschlag. Natürlich war ich am Vorabend schon super happy gewesen und war eigentlich den ganzen Abend beseelt, aber das: "Das wars wirklich. Kein Berg mehr zu bezwingen. Nur noch nach Hause". kam erst an diesem Morgen. Auch wenn das "Nach Hause" dann noch deutlich nervenaufreibender war als erwartet

Ich liebe es wenn ein Plan funktioniert

Tut er nur so selten. Bei der Planung der Tour war die Rückreise noch relativ klar gewesen: Havilla (die günstige Alternative zu den Hurtigruten) runter bis Bergen. Dort den langen Fahrradtunnel besichtigen und dann mit dem Zug nach Oslo, um von dort die Fähre nach Kiel zu nehmen. Das scheiterte jetzt an mehreren Dingen: Erstens hatte sich der Preis für die Schiffsreise mittlerweile mehr als verdoppelt, Havilla fuhr erst in fast einer Woche und damit war nur die noch mal deutlich teurere Hurtigruten für etwa 2.500€ (anstatt der ursprünglich geplanten 700€) verfügbar. Auch die Fähre von Oslo nach Kiel schlu plötzlich mit über 500€ zu Buche für gerade mal eine Nacht fahrt. Und wäre das nicht genug war auf allen Bahnstrecken in Richtung Oslo auf Wochen kein Platz für Fahrräder zu bekommen.

Alles was vor der Tour geplant war, fiel also komplett ins Wasser. Früher buchen war aber ja auch nicht möglich gewesen. War ja sehr dynamisch wo ich wo wann mit dem Rad sein würde. Honningsvåg

Plan A: Flieger via Alta

Schnell stellte sich heraus: Fliegen ist die einzig valide Option. Dabei hasse ich fliegen. Ich mag das einfach nicht. Ich habe keine Angst oder sowas, aber das ganze Prozedere ist mir zuwider. Lange vorher ankommen, in Schlangen stehen, Stress beim Einchecken, Stress bei der Kontrolle, Enge Sitze und müffelnde Fluggäste (selber müffeln ist da sogar noch unangenehmer). Viren fliegen dann auch noch überall rum und aus ökologischer Sicht brauchen wir da ja gar nicht drüber reden. Es blieb mir aber keine andere Option übrig, wollte ich nicht mein gesamtes Ersparte ins Postschiff stecken (was ökologisch ja auch nicht das Tollste ist). Ich habe es bisher geschafft meinen Interval von einmal alle 10 Jahre fliegen einzuhalten. Und würde das eher verlängern als verkürzen wollen. Und kleiner Spoiler vorweg: Meine Aversion gegen das Fliegen wurde nicht besser.

Es fuhr ein Bus nach Alta. In Norwegen setzt man generell stark auf Busse. Auch wohl notwendig, da es vergleichsweise wenig Bahnstrecken gibt. So hoch im Norden gibt es die gar nicht. Das gute an Norwegens Busse: Eigentlich sind fast alle Linienbusse Reisebusse und nicht mit unseren Linienbussen zu vergleichen. Also großzügige Gepäckabteilungen unter den Sitzen. Ich hatte an dem Sonntag nur etwa vier Stunden totzuschlagen um auf den Bus zu warten. Tat ich dann auch. Ein Nordkapp-Shirt wurde in der Zeit gekauft, das kleine Städtchen erforscht und Kaffee getrunken. Alles recht entspannt. Die letzten zwei Stunden saß ich dann an der Bushaltestelle. Zum Glück gab es ein paar andere Radfahrende mit denen man schnacken konnte, so dass die Zeit auch nicht zu lang wurde.

Als der Bus dann ankam, weil der allerdings schon rappelvoll. Der Busfahrer meinte, dass da eigentlich gar kein Platz mehr wäre, wir haben ihn dann aber dazu gebracht noch irgendwie ein Rad aufzunehmen. Einer sehr nette Frau aus Mexiko, die in Frankreich als Lehrerin arbeitet habe ich dann den Platz überlassen. Was soll ich sagen: Ich hatte halt lange mit ihr sehr nett gesabbelt und konnte mich da jetzt nicht Arschlochmässig mit Ellenbogen durchkämpfen. Wäre ja eh nicht meine Art. Ehrlicherweise hatte sie auch die wenigsten Taschen dabei. Auch waren am nächsten Tag drei Busse zu erwarten und ich hätte mich dann ggf. ein paar Stationen weiter raus begeben um früher einsteigen zu können.

Plan B: Tromsø

Hatte dann natürlich viel Zeit zu überlegen wie es denn weiter gehen sollte. Neben dem Bus am nächsten Tag gab es auch die Option die Hurtigruten zu nehmen morgens um 6. Alles was da unter 24h ist, ist vergleichsweise günstig, weil man dann keine Kabine buchen muss. Gerade so in der Distanz ist Tromsø. Also habe ich mir ein günstiges Hotelzimmer gesucht, in dessen Lobby bereits fünf Fahrräder standen. Hatte also wohl nicht alleine die Idee. Dass Frühstück enthalten war, half natürlich nix, musste ja früh raus. Habe eigentlich nur wenige Stunden geschlafen und bin dann gegen vier aufgestanden, habe meine Taschen gepackt und mich auf zum Hafen gemacht.

Einhorn auf FahrradWie alle Hurtigkais (wo ich auch schon einmal die Schnellfähre genommen hatte) sind die total unscheinbar. Bei der kleinsten normalen Fähre hat man große Schilder, Auffahrten, Parkplätze, bei Hurtig ists in der Regen einfach nur Asphalt der am Wasser endet. So auch in Honningsvåg, so dass es wieder ein wenig unsicher war: Bin ich wirklich an der richtigen Stelle? Komm ich auhc echt mit? Zur Erinnerung: Onlie Buchen konnte ich eigentlich nix, weil meine Kreditkarte ja nicht mehr für Online-Transaktionen funktionierte. Immerhin hatte ich etwas beruhigung am richtigen Ort zu sein, als ich ein einsames. bepacktes Fahrrad am Kai gesehen habe. Zumindest war vermutlich mindestens ein anderer Mensch der Meinung dass hier wohl ein Schiff losfahren würde. Noch dazu hatte das Rad ein Einhorn am Lenker. Das ließ schon darauf schließen dass das ein Mensch sein würde mit dem ich vermutlich gut schnacken könne. Stellte sich raus: Stimmte alles: Es gab einen kleinen Aufenthaltsraum in der (um diese Zeit unbesetzten) Polizeistation, wo man auf das Schiff warten konnte. Was gut war, denn es fing an zu regnen. Weniger gut war, dass der Kaffeeautomat dort drin (wie überall mit Kreditkartenzahlung) defekt war.

Wir buchen, Sie fluchen

Dort drin traf ich dann Stine. Meine Annahme, dass die Besitzerin der Einhornrades nett sein würde, war absolut korrekt gewesen. Teilte mir dann noch eine Telefonnummer mit zwecks Buchung. Die war einerseits spannederweise mit Hamburger Vorwahl, andererseits aber um diese Uhrzeit natürlich nicht besetzt. Ich schaute dann noch mal auf die Website, ob ich nicht doch online Buchen konnte. Vielleicht gabs ja Paypal oder so. Gabs nicht, aber KlarNa. Half dann aber auch nichts, weil auch das nach Eingabe der Bankdaten abbrach. Sicher aus gleichen Authentifizierungsgründen aus denen meine Kreditkarte Online nicht geht.

Schild an SchiffKonnte also nicht bezahlen, bekam aber dann überraschenderweise trotzdem eine Reservierungsbestätigung per Email. Das war ja schon mal sehr gut, auch wenn das erst mal nur für mich und nicht fürs Rad galt (Das konnte man aber generell nur telefonisch anmelden). Ich hatte vorher schon mal ähnliches bei einer Hotelreservierung via booking gehabt. Da benötigt man die Kreditkarte ja oft nur zur Reservierung, nicht zu Bezahlung. Bei Eingabe der richtigen Checknummer gab es die übliche Fehlermeldung, dass irgendwas mit meiner KK nicht gehen würde, bei eingabe einer komplett falschen Nummer (z.b. 123) ging das dann aber durch. Alles irgendwie seltsam, aber wenn Softwarebugs in meinem Sinne arbeiten will ich mich nicht beschweren.

Mittlerweile füllte sich auch der Warteraum, andere Radfahrer, ein sehr sympatisches Vater-Tochter-Wandergespann aus der Schweiz, dass ich bereits am Vortag am Supermarkt kennengelernt habe war auch angekommen (die wollten im Anschluss zunächst einen vier-Stunden Bus nach Narvik nehmen, von wo aus man dann mit dem Zug nach Schweden kommt, was ohne Fahrrad auch vergleichsweise einfach ist)

All on Board

HutigschiffAls das Schiff dann kam waren alle Bedenken schnell weg. Es gab mehr als genug Platz an Bord. Interessanterweise erfolge die Be-und Entladung an der Seite des Schiffes. Eine Klappe öffnete sich, Fahrzeuge wurden über einen Fahrstuhl auf die richtige Kaimauerhöhe gebracht und konnten dann das Schiff verlassen. Was auch bedeutete, dass der Be- und Entladevorgang SEHR langsam ging. Jede Fahrzeug musste einzeln auf die Rampe, eine Schranke schloss sich, der Fahrstuhl setzte sich in Bewegung, die Schranke öffnete sich und das Fahrzeug konnte runter. Für unseren Haufen mit mittlerweile etwa 10 Fahrrädern konnten natürlich mehrere gleichzeitig das Schiff beladen. Die Räder wurden je nach Zielort sortiert, damit kein Rad ein anderes blockiert, wenn jemand von Bord muss. War aber - wie auf einer normalen Fähre - im Wesentlichen nur: Stellt die Räder dort an die Wand, das nächste Rad vors Erste etc. Also kein echter Fahrradplatz, sondern einfach nur Ware. Dann gabs noch Aufkleber für die Räder wos denn hingeht (die meisten wollten wie ich nach Tromsö, es gab aber auch "will nur den Tunnel umfahren"-Kanditaten und Besuche in Hammerfest.

Dann gabs die Bordkarte und es ging zur Rezeption vom Checkin. Dort erklärte ich, dass ich zwar eine Reservierung erhalten hatte, aber noch nicht zahlen konnte. Die nette Frau erklärte mir, dass ich im System eingebucht sei und das für sie damit ok wäre. Meine Kreditkarte lehnte sie ab. Die Überfahrt kostete übrigens 111€ für eine Person. Das Fahrrad war da auch nicht mit drin, weil ich das ja nicht buchen konnte.

Schlafen und sabbeln

An Bord platzierten sich eigentlich alle in den großen Chillbereich, der Abends zu einer Bar wurde. Die echten Passagiere waren zu dieser Zeit eigentlich alle noch am Schlafen. Und so breiteten sich Radfahrende und Wandernde dort aus, packten sich teilweise ihre Frühstücksutensilien auf den Tisch oder legten sich auf die Sofas. Ich setzte mich auch auf einen breiten Sessel mit verstellbarer Rückenlehne vor einem Fenster, schaute nach draußen aufs Meer und holte den Schlaf nach. Zum ersten Mal wurde das rüde Unterbrochen als gegen acht Uhr der Captain (oder ein anderer Mensch in Uniform) den Raum durchquerte und sehr lautstark klar machte, dass die Kabinenpassagiere gleich aufstehen würde und er doch gerne hätte dass dann auf den Sofas niemand mehr liegt und bitte die Tische nicht voll von Supermarkteinkäufen sein mögen.

PapiertüteIn meinem Liegesessel war ich zum Glück safe. Da unterschied ich mich dann auch nicht groß zu den zumeist älteren Passagieren, die dann auch mal wegdösten. Nachdem ich einigermaßen ausgeschalfen war kam praktischeweise ein LNG-Terminal auf Snøhvit vor Hammerfest. Das interessierte mich eigentlich eher so mittel, es kam aber eine Durchsage, dass draußen auf dem Vorderdeck jemand was dazu erzählen würde und dabei "Energy Coffee" gereicht würde. Also ging ich nach draußen, griff zwei Kaffee in Pappbechern ab und war dann so einigermaßen wach. (Ich weiß weder was das Energy im Coffee sein sollte, noch habe ich auch nur mehr als einen kurzen Blick auf das LNG Terminal verschwendet. War halt optisch eine typische Gasförderung mit Flammen an langen Türmen und großen runden Gebäuden).

Berg mit WasserfallIm Anschluss sabbelte ich eigentlch den Rest der Tour - mit kurzen Ausnahmen - mit der Einhornbesitzerin. Natürlich war sich auch am Nordkapp, hatte aber auch sonst super spannende Dinge zu berichten. Unter anderem bekam sie an Bord gerade die Mitteilung, dass sie vor Gericht gegen die Münchner Polizei gewonnen hatte. Sie hatte wohl auf einer Demo gegen Rechts "zu laut" gesungen. Ja. Ich fand die Tatsache, dass man für sowas überhaupt ne Anzeige bekommt genau so Banane wie Ihr. Ihr könnt Euch aber vorstellen dass ein Mensch mit so einer Geschichte nicht nur sehr interessante Dinge zu erzählen hat, sondern auch das wir schon sehr auf einer Wellenlänge waren. Das machte den langen Tag echt sehr kurzweilig. Auch weil sich da jetzt echt zwei Sabbeltanten getroffen haben :)

Lukullus ohne Penunsen

Kleiner BurgerZwischenzeitlich hatte ich noch mal versucht irgendwie die Überfahrt zu bezahlen; Die Mail von Hurtig verlinkte auf eine Seite, wo ich nach Eingabe von Buchungs- und Kundennummer nur eine Fehlermeldung bekam. Ein Besuch an der Rezeption führte dann nur zum Ergebnis, dass "Der Computer sagt: JA", sprich. Für die Crew war alles in Ordnung, man würde mich nicht über die Planke schicken und wenn das System nen Fehler macht, kann ich da ja nix für. Vielleicht kommt ja im Nachgang noch mal was, erst einmal war die Überfahrt dann also wohl umsonst. Dann konnte ich mir ja sogar Essen an Bord gönnen.

Die Kabinenpassagiere haben ja quasi ne Flatrate am Buffet, was auch dazu führt, dass die á la Card - Restaurants vergleichsweise wenig besucht waren. Es gab ein super teures, aber auch ein vergleichsweise günstiges Restaurant. In letzterem holte ich mir dann einen Burger mit Kartoffeln und Getränk. Waren dann 300 NOK, also etwa 25€. Im ganz normalen Rahmen, zumindest was norwegen angeht. Das zahlt man dort an der Tankstelle auch in etwa. Auch ein Eis gönnte ich mir dann noch: Ausnahmsweise mal kein Softeis, sondern klassisches Kugeleis, wobei man bei Sorten wie "Brunost" oder "Stockfisk" vermutlich nicht so ganz von klassisch reden kann. Das Brunost schmeckte übrigens größtenteils vanillig mit einem Hauch von Karamell, also nur am Rande wie der gleichnamige Käse.

TeaRexIrgendwann gegen kurz vor Mitternacht ging die lange Fahrt zu Ende. Zwischendurch verabschiedeten wir uns noch lautstark von oben winkend von ein paar Radlern, die uns ein paar Häfen früher verließen, andere entdeckten dann noch eine Sauna an Bord, die sie - vermutlich unerlaubt - nutzten. Mittlerweile war es in Norwegen auch nicht mehr ganz so hell nachts, so dass man sowas ähnliches wie Dämmerung hatte um die Zeit. Es war aber immer noch warm und trocken und so machte ich mich auf zu einem Hotel in Airportnähe, wahlweise 3 oder 10 Kilometer entfernt. Die 10 Kilometer hatten 10 Höhenmeter, die 3 hatten 120 dazwischen. Ich entschied mich also für die flache Variante. Während der Fahrt zum Hotel funktionierte plötzlich die rechte Schaltung nicht mehr. Hat mir mehr zum Lachen als zum Ärgern gebracht: Denn jetzt war das Ok. Vor dem Nordkap wäre das eine Katastrophe gewesen. Die war komplett mausetot, ich war also wieder im Singlespeed-Modus unterwegs.

Am nächsten Morgen ging plötzlich wieder alles. Keine Ahnung warum. Vielleicht das rumrütteln am Rad beim hochbringen ins Hotelzimmer oder beim Abnehmen der Fahrradtaschen.

Gute Wahl

Blick von SchiffImmerhin zeigte mir die Überfahrt, dass meine ursprüngliche Planung, fünf Tage an Bord des Schiffes bis Bergen echt nichts für mich gewesen wäre. Ich hatte ja einen Tag interessante Gesellschaft, aber ohne die, nur mit den anderen Kabinenpassagieren an Bord, die nicht nur völlig andere Interessen haben als ich, sondern in der Regel auch unter sich blieben wäre das vergleichsweise langweilig gewesen. Ich hätte fünf Tage und Nächte irgendwie totschlagen müssen. Natürlich mit toller Aussicht, aber die hatte ich ja nun auch schon zwei Monate. Ehrlicherweise sieht man sich da vermutlich nie satt dran, aber dennoch ist fast eine Woche an Bord eines Schiffes - das weiß ich jetzt - echt nichts erstrebenswertes. Außer Essen und schauen kann man auf so einem Schiff halt echt nicht viel machen. Und schön saufen kann man sich das - mangels Duty Free - auch nicht. Den Vorteil hätte wenigstens noch die Oslo-Fähre gehabt. Also war der kurze Hop mit dem Schiff schon gut. Auch wenn ich weiterhin anschließend eine Eintages-Zugfahrt dem Flug vorgezogen hätte. Der Hopp von Tromsö nach Bodö (die nördlichste Bahnstation) hätte mit Hurtig etwa 600€ gekostet. wäre bei Havila aber bereits für gut 100€ zu haben zu wesen. Auch kurzfristig. Eine Hoteübernachtung wäre im gleichen Bereich, also durchaus eine Alternative, WENN es denn eine Möglichkeit gegeben hätte das Rad mitzukriegen.

Ich hatte übrigens auch geschaut ob man das Rad ggf. per Post (verpackt) loswerden kann, aber da gibt es bei posten.no (Norwegische Post) international keine Option. Es gibt irgendwelche Websites die behaupten Speditionen zu vermitteln für den Zweck, aber da kommt dann nicht wirklich was bei rum. Vermutlich sammeln die nur Adressen. Habe mir schon überlegt ob es Sinn machen könnte eine Mitfahrgelegenheits-App für Fahrräder zu programmieren. Sind ja genug (wohl eher zuviel) Camper in Norwegen unterwegs. Und die haben nicht selten Platz für ein Rad an Bord oder eben einen Fahrradhalter. Könnte die nächste "Ole programmiert Dinge, die kein Mensch verwendet" - Aktion werden ...🙂

Jetzt kommt (k)ein Karton

Mein Hotel hatte Blick auf den Airport. Ringsum war sonst nichts außer einem Einkaufszentrum, eigentlich ideal, weil auch Fahrradläden wie XXL, Intersport und Co dort drin sind. Ich brauchte nämlich noch einen Karton fürs Rad. Gebucht hatte ich bereits Online via Eurowings (die zum Glück Paypal akzeptieren). Auch kann man bei Eurowings das Übergepack (aka Fahrrad) direkt mitbuchen. Bei SAS zum Beispiel nicht, da muss man dann hoffen, dass noch Platz an Bord ist für größere Pakete und/oder telefonisch das Ganze irgendwie klären. Ich habe dann auch direkt einen Flug nach Hamburg gebucht. Flüge nach Oslo waren deutlich teurer, selbst diejenigen die über Oslo dann weiter nach Deutschland gingen waren billiger als der Flug nach Oslo, den diese Routen auch beinhalteten, auch total Banane. Ich strich also auch den Plan die Fähre Oslo-Kiel nehmen zu wollen, das hätte in Summe mit dem Flug dreimal so viel gekostet wie der Flug nach Hamburg.

Karton am RadEinen Karton fürs Rad zu bekommen stellte sich als schwerer raus als gedacht. Ich wusste von Alta von Bernhard, der von dort geflogen war, dass er einfach einen Karton bei XXL abgeholt hatte. Die hatten ihm das dann auch direkt alles vor Ort zusammengepackt, etwa 20€ verlangt und das wars dann. Mittlerweile war das - zumindest in Tromsö - nicht mehr so einfach. Ich hatte auf dem Schiff bereits versucht bei XXL, aber auch anderen Sportläden (in der Regel gibt es keine Radläden, sondern mindestens Angelbedarf ist immer mit dabei) versucht an Kartons zu kommen. XXL würde vor Donnerstag keine neuen Räder reinbekommen (und somit keine Kartons), andere hatten auch nix zu bieten. Mein Flug ging aber schon am Mittwoch. Da ja auch Platz verfügbar sein musste hatte ich das bereits gebucht; Immerhin als "Flex", so dass - falls ich denn gar nix finden würde - wenigsten innerhalb der gleichen Fluggesellschaft umbuchen konnte. Flog aber nur einmal die Woche, hätte also dann eine weitere Woche festgesessen. Im zwar durchaus schönen Tromsö, aber ich hatte schon fast alles interessante gesehen und bin halt generell nicht so der Typ der eine Woche Städtereisen interessant findet.

Basecamp for the rescue

Ich erinnerte mich dann daran dass mir auf dem Weg gen Norden mehrmals empfohlen wurde, dass - wenn ich denn mein Rad noch reparieren müsse - Tromsö mehr oder weniger der letzte Punkt wäre und ich dort auf jeden Fall zu BaseCamp gehen sollte. Die hängen sich rein und kleben das notfalls mit Seetang und Möwenfedern zusammen. Also habe ich es eben dort versucht. Es kam die Rückmeldung dass die schon nen Karton für mich finden würden. Besitzer hatte einen sehr deutschen Namen ohne Deutsch zu sein (oder fließend sprechen zu können). Aber ein vollbärtiger Hemndsärmliger Fahrradschrauber, der genau diesen Karton für mich rauskramte. Das Basecamp war übrigens nicht mehr als eine Garage vollgestopft mit einigen Fahrrädern, Werkzeug und etwas Chaos. Genau die Art von Fahrradbutze die ich mir wünschen würde, wenn ich dort vor Ort wäre. Wo man weiß zu Improvisieren und nicht direkt Komponenten tauschen muss.

KartontransportImprovisieren musste ich dann auch, denn ich hatte jetzt zwar einen Karton, musste den aber irgendwie zum Hotel bekommen. Wollte jetzt nicht in der Innenstadt von Tromsö das Rad zerlegen sondern das in Ruhe machen. Bin also erst einmal einen Kilometer zum nächsten Baumarkt gelatscht mit Karton auf dem Rad, habe mir dort zwei Spanngurte besorgt und dann versucht den Karton aufs Rad zu bekommen. Es kam sofort ein Norweger um die Ecke der mir anbot zu helfen. Also zu zweit auf den Gepäckträger montiert und los. Hielt dann leider nur wenige Meter bis der Karton umkippte. So ein Karton lässt sich halt nur begrenzt schnüren, der reißt irgendwann ein, wenn man den Spanngurt zu eng schnürt.

Sieben Packen minus sechs Packen

Versuch zwei war dann das Ungetüm auf den Rücken zu schnallen. Mit ordentlich Druck auf der Brust und der Hoffnung auf wenig Wind ging es dann zum Hotel. Zum Glück war es flach. Und glücklicherweise habe ich ein Hotelzimmer bekommen dass behindertengerecht eingerichtet war. Was auch bedeutete dass da richtig viel Platz für mein Rad und Karton war. Bin dann noch schnell im Einkaufszentrum neben dem Hotel shoppen gewesen: Luftpolsterfolie, Klebeband, eine Paketwaage und eine große Sporttasche 120 Liter für den Flug.

Habe dann in Ruhe das Fahrrad zerlegt, Luft aus den Reifen, Vorderrad raus, Triathlonlenker ab, Lenker lösen. Die Pedale wollten sich erst mit sehr viel Kraft und Gewalt lösen lassen. Auch sah das Gewinde des rechten Pedals nicht mehr wirklich gut aus. Das wäre mir sicher auch irgendwann um die Ohren geflogen. Mit in den Karton flog auch mein Schlafsack als Polster.

Im Anschluss habe ich alle Akkus (Drohne, Powerbank, Luftpumpe) etc. in eine der Fahrradtaschen gepackt. Diese dann noch mit Klamotten vollgeschmissen. Alles Andere dann in die große 120 Liter Tasche. Gaskartusche, CO2 - Kartusche und Sturmfeuerzeug habe ich im Hotel entsorgt, geht ja nicht im Flieger. Dann direkt ein "Maxitaxi" für den nächsten Morgen bestellt, den Wecker gestellt und früh ins Bett gehüpft.Pedal

Fluchmodus

Das Taxi war pünktlich da, ich war rechtzeitig zwei Stunden vor Abflug am Airport und auch das Aufgeben von Gepäck inkl. Fahrrad war komplett problemlos. Auch die Sicherheitskontrolle obwohl ich vergessen hatte die Drohnenakkus aus der Tasche zu nehmen. Traf dann noch einen anderen Radler, saß entspannt vor dem Flugsteig und sagte die fatalen Worte "Jetzt kann ja nichts mehr schief gehen". War ja auch keine Boeing.

Es gab dann noch etwas Unterhaltungsprogramm. Eine Gruppe von vier Deutschen wurde - bereits am Gate - vom Zoll noch mal abgeholt. Sie hatten wohl deutlich zu viel Fisch in ihren Koffern. Ich bin ja übrigens echt nicht Airporterfahren. Hatte aber noch nie gesehen dass die Landebahn einen Wendehammer hat. Da rollte der Flieger in eigener Kraft hin, drehte um und startete dann. War halt ein eher kleiner Airport.Der Flug ging dann nach Düsseldorf. Von dort sollte es dann weiter nach Hamburg gehen. Der Flug war ereignislos bei schönem Wetter. Nach der Landung in Düsseldorf hatte ich dann genug Zeit um zum nächsten Terminal zu gehen wo die nächste Eurowings-Maschine mich nach Hamburg bringen sollte. Während ich dort wartete bekam ich dann eine Mitteilung, dass der Flug annuliert wurde. Es sollte in einer halben Stunde eine Lösung geben. Die kam aber nicht, sondern nur die Durchsage am Airport dass alle Passagiere ihr Gepäck abholen sollten. Also raus aus dem Sicherheitsbereich erst mal zum Gepäck. Meine große 120 Liter Tasche rotierte dort schon vermutlich eine Weile auf dem Gepäckband. Mein Fahrrad war dort aber nirgends zu finden. Natürlich nicht auf dem Band, aber auch nicht bei der Abgabe vom Übergepäck.

Dort traf ich dann den anderen Radfahrer aus Tromsö. Der wollte tatsächlich nur nach Düsseldorf, hatte aber auch kein Fahrrad mehr. Er hatte bereits die halbe Stunde dort gewartet und kein Fahrrad war aufgetaucht. Also gings schnell zum "Verlorenes Gepäck" - Schalter. Der Mitarbeiter erklärte dass sie heute echt schwach besetzt seien, weil gerade eine Betriebsratssitzung ist. Außerdem habe die Eurowings eine eigene Gepäckabteilung und nicht der Airport. Drückte mir dann noch einen Zettel mit QR-Code in der Hand mit dem Hinweis auf der Website auf gar keinen Fall Umlaute oder Satzzeichen einzugeben.

Weltreise

Ich bin dann zum Eurowings-Schalter, der auch mit zwei Menschen sehr dünn besetzt war. Einer der beiden kämpfte dann auch noch mit einem Bluescreen und naturgemäß gab es eine sehr lange Schlange vor dem Schalter. Ich war ja vergleichsweise spät dahin unterwegs, weil ja auch mein verlorenes Fahrrad noch dazwischen kam. Ich nutzte die Warteschlange um die Vermisstmeldung online auszufüllen. Wenn das Rad irgendwann wieder auftaucht, sollte das nun per Spedition direkt zu Hause ankommen. Vor mir in der Schlange wurden einige schon abgewiesen, die darüber nicht super froh waren. Wenn ich das richtig verstanden habe, haben die nicht direkt bei der Airline gebucht weshalb die Eurowings ihnen gar nicht helfen konnte.

Als ich dann endlich dran war wurde mir überraschend schnell geholfen. Wahlweise mit einem Flug über München oder Wien. Meine Wahl fiel auf München. Ging diesmal über die Lufthansa. Da gibt es übrigens Wasser und Schokolade umsonst. In München angekommen war es unangenehm schwül. Mein Abfluggate zu finden war alles andere als einfach. Ich bin fast eine halbe Stunde umhergeirrt. Ich war an Gate G irgendwas angekommen und musste zu D06. Während der halben Stunde kam ich ausschließlich an Gates vorbei die mit "G" anfingen. Es gab keinen einzigen Infostand wo man mal hätte nachfragen können. Am Ende kam ich dann an einer Bushaltestelle innerhalb des Airports an, wo ein Bus alle 20 Minuten losfährt um zu den Gates A-F zu gelangen.

Der Fahrer war für einen Bayern ungewöhnlich freundlich und bestätigte mir dass ich den Bus nehmen müsse und die erste Station nehmen. Man hätte wohl auch irgendwie zu Fuß dahin kommen können, dafür dann aber den Sicherheitsbereich verlassen müssen und erneut durch die Kontrolle müssen. So oder so hatte der Flug ordentlich Verspätung was diesmal sehr gut war, denn sonst wäre das zeitlich sehr knapp geworden.

Der Abflug zog sich dann noch ewig weiter hin. Erst stand ich eine Ewigkeit im Finger, dann auf dem Taxiway standen wir mehrere Male recht lange auch noch rum. Als es dann endlich in die Luft ging war es nicht nur dunkel (das kenn ich ja gar nicht mehr) es gab auch jede Menge Blitze zu sehen. Regen gabs noch nicht am Fenster, aber der Start war schon sehr ruckelig mit ordentlich Achterbahnpotential.

Meine Perle

Kurz vor elf kam ich dann in Hamburg an, mit schönem Blick auf den Dom und die Lichter der Stadt. Wieder gabs erst mal langes Gelatsche mit meiner Fahrradtasche, deren Riemen nicht zum Rumtragen gedacht sind. Bis das Band für meine 120 Liter Tasche endlich losging war fast eine weitere halbe Stunde vergangen. Als ich dann endlich mit schwerer Tasche und schwerem Handgepäck am Taxistand war, war es fast Mitternacht. Habe dann das Navi gespielt für den Taxifahrer und war knapp 10 Minuten später endlich zu Hause. Das erste Bier seit zwei Monaten später war der 16 Stunden Tag dann endlich vorbei.Bier und Kvikklunsj

Fazit

Zusammenfassend war die Reise echt ein Rollercoaster. Ich war mir Anfangs alles andere als sicher, dass ich das überhaupt kann. Reicht die Kondition? Vor allem hatte ich Bedenken wegen dem alten Kadaver auf dem Rad. Aber sowas wie Rückenschmerzen - wovor ich am Meisten Angst hatte - gab es nicht. Dafür dann unerwartete make it or break it Dinge mit dem Rad, Corona kam auch noch dazu. Mehr als einmal habe ich also befürchtet abbrechen zu müssen. Aber irgendwie hat das - mit Hilfe von anderen Menschen - dann doch noch geklappt. Überhaupt Menschen: So viele interessante Leute mit oder ohne Rad habe ich unterwegs kennengelernt: Das war schon phantastisch. Auch wie viele direkt auf mich zugekommen sind um mit mir zu sabbeln; Kenn ich so nicht. Bin ja schon selbst ne Sabbeltante, dass die Leute spontan der Meinung sind: Der Typ hat bestimmt was spannendes zu erzählen, ist schon anders als ich das kenne. Gut: Vermutlich lags eher am Stofftierelch Patschi :) Waren eigentlich alles wundervolle Menschen.

Werde ich genauso vermissen wie die tolle Landschaft. Auch vermissen werde ich wie umsichtig in Norwegen gefahren wird. Da könnten wir uns fast so viele Scheiben abschneiden wie ich den Brunost. Bin jetzt gerade sehr froh ausspannen zu können, aber gleichzeitig auch wohin ich denn so als nächstes fahren kann. Das wars dann erst mal mit dem #nErdkap - Blog. Die nächsten Tage bestehen aus Klamotten waschen, Garten auf Vodermann bringen und irgendwann das Fahrrad in Ordnung bringen zu lassen. Danke fürs Lesen und vor allem die vielen gedrückten Daumen.Verlotterter Garten

Ole

Nerd, Quiddje, Full-Schnack-Developer, Fahrrad- und Norwegenfan, 50% vom Blathering-Podcast. Anmerkungen, Anregungen und Gesabbel gerne via Mastodon (@guacamole@chaos.social)

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