Der Schlendrian zieht ein
Heute habe ich lange geschlafen, viele Pausen gemacht und bin dennoch King of the hill
Laut Wetterbericht sollte es Nachts bis etwa drei Uhr regnen. Also ging ich das Risiko ein, mein Handtuch aufs Fahrrad zum Trocknen zu legen. Wette verloren würde ich mal sagen, denn es regnete in etwa bis neun Uhr durch. Darauf hoffend, dass wenigstens der Regenradar Recht behalten würde blieb ich dann auch bis neun im Zelt liegen und machte mich erst danach auf. Somit kam ich erst etwa eine Stunde später wieder aufs Rad.
Radfahrer bei Sinnen vermeiden ja jede Straße, die mit "E" beginnt wie der Teufel das Weihwasser. Ich musste aber erneut ein paar Kilometer der E39 folgen. Das war heute aber gar nicht so schlimm. Zum einen waren keine Leitplanken an der Seite, so dass ich etwas mehr Platz zum Ausweichen mit Taschen hatte, vor allem war in meiner Richtung aber der "Startpunkt" die Fähre. Was bedeutete, dass der Schwung an Autos und vor allem LKWs in gut ausrechnenbaren 20 Minuten-Intervallen angerollt kam. Die habe ich dann stets einfach über Haltebuchten und Hauseinfahrten abgepasst.
In Norwegen gibt es übrigens kaum schwer einsehbare Kurven, sondern oftmals gar nicht einsehbare Kurven. Daraus ergibt sich, dass die Regel erfahrener Radler*innen sich bloß nicht zu weit Rechts aufzuhalten um nicht zu gewagten Überholmanövern im Gegenverkehr zu animieren hier noch eine Spur erweitert wird. Da Kurven in der Regen um Felsen herumgehen möchte man nicht erst am Scheitelpunkt der Kurve entdeckt werden. Also heißt es vor und in der Kurve weit links zu fahren, damit auch die Wagenlenkenden aus der Ferne schon rechtzeitig erkennen dass da wer ist.
Die E39 - Passage könnte übrigens zukünftig für Radfahrende noch deutlich angenehmer werden. Kurz hinter Betna scheinen sie mal wieder eine Schneise in den Berg zu flexen wodurch die jetztige Straße dann vermutlich kaum noch genutzt wird.
Weil mal die Frage aufkam, was denn Fähren so kosten: Für Radfahrende weiterhin nix. Ich bin mir nicht mehr sicher ob das in der Vergangenheit auch so war. Grund könnte auf jeden Fall auch das Mautsystem sein. Um in Norwegen mit einem motorisierten Gefährt auf mautpflichtigen Wegen fahren zu dürfen muss man dies anmelden. Auf den Fähren geht mittlerweile niemand mehr zum kassieren herum. Da werden nur noch die Kennzeichen fotografiert und das ganze erfolgt dann ganz automatisch. Wie hoch der Schock dann nach dem Urlaub ist, kann ggf. Tine (kanntine.de) dann berichten :)
Auf der Fähre nach Vagosen traf ich noch ein paar deutsche (motor-)biker, die den Nordkap schon hinter sich hatten. Konnten mir gar nicht glauben, dass ich bisher allen Tunneln aus dem Weg gehen konnte. Nach der Fähre trennten sich unsere Wege. Sie folgten der "offiziellen" Straße 682, ich bog Rechts in die kleine Fv362 ab. Und was für ein Traum war denn bitte diese kleine Straße immer direkt am Wasser entlang? Über mehrere Stunden kam mir ausschließlich ein einsames Postauto entgegen. Stets tolle Aussicht und guter Belag. Dort hatte ich auch viele meiner Pausen; Drohnenvideos wollten gemacht werden, schließlich war seit Mittag auch wieder die Sonne kräftig dabei
Gegen halb vier hatte ich dann Kristiansund erfolgreich umrundet und war wieder auf der offiziellen Radroute 1 angekommen. Und damit auch bei den ersten beiden, direkt aufeinanderfolgenden Tunneln meiner Tour. Zum Glück beide recht kurz (100 bzw. 300 Meter), gut beleuchtet und flach.
Den Tag beendet habe ich dann auf einer großen saftig grünen Wiese. Sicher landwirtschaftliches Weidegebiet. Allerdings nicht eingezäunt und - abgesehen von mir - ohne Rindviecher. Habe bei einem Haus auf der gegenüberliegenden Straßenseite gefragt ob es ok wäre hier zu campen. Für eine Nacht wars ok und so ganz nebenbei war der Bewohner auch noch Rennradler der einige Male die Trondheim-Oslo-Tour gemacht hat. Er hat mich auch darüber informiert dass es morgen "schönes Wetter" gibt. Wobei ich doch lieber deutlich weniger als die angedrohten 28 Grad hätte.
Vielleicht habe ich ja wieder Glück und treffe nette Menschen wie heute. Um kurz nach vier stand ich vor der wohl einzigen Tankstelle in Norwegen, die um vier schließt, grübel etwas wo ich denn nun nen Snack herbekomme, da kommen plötzlich zwei Mädels mit einer randvollen Karaffe Wasser und fragen ob ich meine Flaschen auffüllen möchte. Fast schade dass meine Wasserflaschen zu der Zeit voll waren.