Tag 55: Top of the world

Norwegen Unterwegs

Such a feelin's comin' over me There is wonder in most every thing I see Not a cloud in the sky, got the sun in my eyes And I won't be surprised if it's a dream

Lakselv

Den Morgen ging es von einem relativ furchtbaren Campingplatz in Russenes bei Lakselv los. Hinter dem Zelt lag ein komplettes Rückrad von (ich hoffe) irgendeinem Tier. Der Rasen war keiner. Immerhin war die Küche ok. Wetter war toll, die vorletzte Etappe stand an. Noch etwa 120km bis zum Nordkapp,

Wie können Sie es Waden?

Tunnel mit RadwegIch wusste dass noch einige Tunnel vor mir lagen. Einer davon war zwar lang und ging etwas bergauf, war ansonsten aber ein Traum. Es gab sogar einen extra abgetrennten Radweg. Das erste (und Spoiler: letzte) Mal dass ich das in einem Tunnel gesehen hatte. Nach dem Tunnel kam ich an einem schicken Rastplatz an, an dem auch ein paar Shelter waren in denen sich andere Radfahrende mehr oder weniger häuslich eingerichtet hatten. Auch ein Touri-Bus machte dort halt für Photos, Pinkelpause und Beine vertreten.

Eine Frau aus Berlin sprach mich dort an und fragte ob sie denn mal meine Ober- und Unterschenkel sehen dürfte aufgrund der langen Radtour. Da gibts ehrlicherweise nicht viel zu sehen, fahr ja eher lange anstatt sportlich. War aber irgendwie sehr lustig. Sowieso kommt man - nicht zuletzt aufgrund des Elchs auf meinem Lenker immer wieder mit netten Menschen ins Gespräch. Ich war ja schon immer ne Sabbeltante, aber dass so viele Menschen freiwillig :) auf mich zukommen um mit mir zu Reden; Das war schon auffällig in Norwegen.

Schiefer ohne Turm

Schieferartiges Gebirge neben StraßeIch hätte ja ehrlicherweise gedacht jetzt aber echt alle Landschaftsarten in Norwegen gesehen zu haben, aber das Land hatte noch etwas neues für mich: Nicht nur dass ich mit Rentieren jetzt quasi totgeschmissen wurde. (Allerdings domestiziert, es sein denn Rentiere hängen sich selber Glocken um). Auch gab es neue Felsenformationen die in Schieferartigen Schichten übereinander am Straßenrand standen und so wirkten als müssten sie jederzeit auseinander fallen. Ich stand auf jeden Fall unter einem Überhang und schaute genau ob der Krach der Drohne da über mir was löste. Lagen ja auch genug Brocken auf dem Boden herum.Rentiere an Bergkante

Der Horrortunnel

TunneleingangIrgendwann folgte der eine Tunnel vor dem eigentlich alle Radfahrende Respekt haben. Horrortunnel ist natürlich übertrieben, aber das war tatsächlich mit Abstand der schlimmste Tunnel der Tour. Erst drei Kilometer bergab unter den Ozean, dann eine Weile geradeaus und dann wieder drei Kilometer bergauf, dabei immer steiler werdend auf etwa 9% Steigung. Dann super kalt, sehen konnte ich fast nix, weil die Brille ständig beschlug, schlechte Luft und ohrenbetäubender Krach. Das ist generell in Tunneln sehr aufreibend wenn die lauten Schallwellen schon von weitem auf einen zurollen, lange bevor dann das Auto um die Ecke kommt und zu sehen ist. Natürlich sehr eng. Zum Glück gab es ein paar Notfallbuchten wo ich dann bei der starken Steigung auch mal verschnaufen konnte und die Autos Etappenweise vorbei lassen konnte. Natürlich ging der Tunnel auch nicht einfach unter dem Ozean lang, sondern vorher durch einen kompletten Berg. Die Norweger geben halt gerne an...

Happy Place

Trotz der Kälte war ich ordentlich verschwitzt als ich dann endlich den Tunnel hinter mich gebracht hatte. Also Jacke aus, Pause machen und erst mal die Sonne wieder genießen. Nur noch wenige Kilometer bis honningsvåg, quasi der Hauptstadt vom Nordkapp. Es folgten zwar noch ein paar Tunnel, aber die waren kurz und entspannt. Fjordblick

Ein Festival der Schiebe

Mein Plan war nun - wie viele unterwegs vorgeschlagen haben - mir einen Campingplatz zu suchen und die letzten zwei sehr steilen Berge bis zum Ziel ohne Gepäck anzugehen. Es gab insgesamt vier Campingplätze. Und alle hatten das gleiche Problem: Keinen Platz. Stellte sich heraus, es gab ein Festival an dem Wochenende. Dass nicht mal ein ein-personen-Zelt platz findet hatte ich vorher noch nie. Jetzt schon. Mein nächster Plan war dann wild campen, aber auch das scheiterte, denn Steil den Berg in Serpentinen hoch ist landschaftlich eher nicht mit flachen Wiesenflächen gesegnet. Also habe ich mich immer weiter hoch gequält und kam dann irgendwann doch tatsächlich am Nordkapp an. Nach etwa 12 Stunden auf dem Rad.

Happy und Happening

Natürlich ging es sofort für ein Photo zum Monument. Mit Fahrrad. Wenn ich mich schon mit Gepäck hochquäle, soll das natürlich auch auf dem Photo zu sehen sein :) . Ein Italiener half mir das schwere Rad die vier großen Stufen hochzuhieven und machte dann auch im Anschluss ein Photo von mir. Der Platz war zu dieser Zeit recht voll und ich hatte mich unbewusst vorgedrängelt. Gab ein wenig gegrummel, aber die meisten waren - wie ich finde zu Recht - der Meinung ich hätte das verdient wenn ich schon mit dem Rad hier ankomme.

Vor dem großen Parkplatz der eigentlich selbst für den Vorplatz Geld gekostet hätte (was ich aber frech ignornierte) standen viele Zelte anderer Radler. Die Wiese war überraschend gut, besser als so mancher Zeltplatz den ich besucht hatte. Ich hatte ehrlichweise eher mit einer kargen Steinwüste gerechnet. Lauter glückliche Menschen ringsum, auch Diego und Lena traf ich wieder, die hier schon mehrere Tage gezeltet hatten. Das fühlte sich ein wenig wie ein Podstock an. Nur ohne lecker essen. Das fiel aus, weil alleine der Zutritt zu Souvenirshop und Restaurant 25 € kosten sollte. Aber ich war ja auch nicht zum essen hier. Ein Belohnungscider und das obligatorische Kvik Lunsj hatte ich ja in der Fahrradtasche.Auf dem Weg zum Nordkapp

Top of the world

Also geschafft. Konnte ich zu diesem Moment noch nicht so richtig erfassen, das kam spannenderweise erst am nächsten Tag bei der Rückfahrt (und nachdem ich den Berg erneut bezwungen hatte). Die Nacht war kurz, auch weil ich um drei noch mal raus bin um Touribusfrei noch mal die Aussicht genießen zu können. Traf dann noch einen Hamburger am Morgen der Zelt und Fahrrad einfach da ließ (hatte Abnehmer gefunden) und ohne Rad zurück wollte. Selfie am Nordkapp

GESCHAFFT! War mir vor allem Anfangs nicht wirklich sicher dass ich das packen würde. Hatte mehr Sorge um Körper (insbesondere den Rücken) als ums Rad und war mehrmals sicher abbrechen zu müssen. Aber am Ende hats doch geklappt. Und das ausgerechnet die letzte Etappe so lang und anstrengend war, passt auch irgendwie zum erreichten Ziel. Wäre ja fast langweilig gewesen wenn das flach und einfach gewesen wäre.

Ole

Nerd, Quiddje, Full-Schnack-Developer, Fahrrad- und Norwegenfan, 50% vom Blathering-Podcast. Anmerkungen, Anregungen und Gesabbel gerne via Mastodon (@guacamole@chaos.social)

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